Die Urlaubszeit ist vorbei - und über bleibt die Frage, wie wir es schaffen, die Erholung bis zu unserem nächsten Urlaub zu speichern. Achtung Spoiler Alarm: Das funktioniert so nicht. Die Frage ist eher, wie es uns gelingt, die Erholung so in unseren Alltag zu integrieren, dass wir unseren Energipegel langfristig halten können? Es gibt ja einige Mythen über das Thema Urlaub, die sich hartnäckig halten, wie z.B. der Mythos, dass ein Urlaub erst ab 14 Tagen zur Erholung führt. Ich habe mir erlaubt ein paar Fakten zum Thema Urlaub zusammen zu tragen: Wann Urlaub Sinn macht und unter welchen Voraussetzungen selbst paar freie Tage gut tun.
hartnäckige mythen zum thema urlaub
Die deutsche Arbeitspsychologin Carmen Binnewies hat in einer Studie folgendes herausgefunden:
· Es konnte nicht bestätigt werden, dass die Erholung im Urlaub erst nach einer Woche eintritt. Auf die Länge des Urlaubs kommt es demnach für den Stressabbau nicht an. Der Erholungseffekt kann sich genauso gut bei einem langen Wochenende einstellen.
· Für den Erholungswert macht es keinen großen Unterschied, ob man verreist oder zu Hause bleibt. Entscheidend ist, wie man die Zeit erlebt und ob man auch zu Hause gut abschalten kann. Für die Erholung im Urlaub ist maßgeblich, was zur eigenen Zufriedenheit beiträgt. Das ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich, nicht alles ist für jeden erholsam.
· Die Erholung hält nach einem Urlaub maximal drei Wochen an. Manchmal ist die Erholung auch schon nach einer Woche wieder weg. Je mehr Stress man nach dem Urlaub hat, desto schneller ist der Urlaubseffekt wieder weg.
· Es ist sinnvoller, mehrmals im Jahr einen kürzeren Urlaub zu machen. Wobei es nicht schädlich ist, wenn man länger Urlaub macht. Der Effekt hält allerdings nicht länger an.
· Je mehr die Leute E-Mails und SMS geschrieben sowie Nachrichtendienste benutzt haben, desto weniger konnten sie abschalten und desto geringer war die Erholung. Selbst die private Nutzung war nicht gut fürs Abschalten. Vermutlich weil man dadurch an zu Hause erinnert wird.
mentaler fakten check
Wenn ich mir diese Fakten genauer ansehe, dann würde dies ja bedeuten, dass wir den Begriff „Urlaub“ anders definieren müssten, nämlich nicht nur als eine 5wöchige Auszeit vom eigentlichen Leben, sondern als einen elementaren Teil unseres Alltags. Weshalb fällt uns aber genau diese Integration von Auszeiten im Alltag so schwer?
Ich hätte dazu eine Hypothese: Urlaub als solches hat in unserer Gesellschaft fast schon so etwas wie einen „Stempel der Berechtigung“. Wir haben im Angestelltenverhältnis ein Recht auf einen mehrwöchigen Urlaub, dieser steht jedem zu. Es könnte sein, dass es uns deshalb leichter fällt, auf Urlaub zu fahren, als sich im Alltag bewusst Auszeiten zu nehmen, um eine Massage, einen Wohlfühltag oder ein anderes lustvolles Erlebnis für die Sinne zu planen. Dafür gibt es nämlich keine Legitimation von außen – wir selbst sind dafür verantwortlich, für diese besonderen Zeiten im Alltag zu sorgen.
Weiters lohnt sich ein Blick in unsere Vergangenheit, nämlich dort hin, was uns unser Umfeld vorlebt bzw. vorgelebt hat. Wir Menschen lernen durch Beobachtung, und das meistens schon sehr früh. Lassen sich also gewissen Verhaltensmuster bei einem selbst erkennen, so macht es Sinn, einen Blick in die Herkunftsfamilie zu richten: Wie haben denn meine Eltern ihren Alltag gemeistert? Welche Prioritäten gab es da? Welchen Stellenwert hatte Erholung, welchen die Leistung? Wieviel Raum hat man sich für regelmäßige Entspannung im Alltag genommen? Es lohnt sich, diese Familienmuster mal unter die Lupe zu nehmen. Haben wir z.B. gelernt, dass „wir faul sind, wenn wir mal am Sofa liegen“ und dass „wir heute, Sonntag, nichts weitergebracht haben“, dann könnte es sein, dass wir die Erholung als solches als wenig attraktiv kennengelernt haben. Und welchen Stellenwert hatten die eigenen Grenzen? Waren die Bedürfnisse der anderen wichtiger als die eigenen? Ging es eher um Verpflichtungen und Leistung als um das eigene Wohlbefinden?
Übrigens lohnt es sich, den eigenen Glaubenssätzen hier ganz genau auf den Grund zu gehen. Folgende Gedanken könnten z.B. die eigene Auszeit sabotieren:
„Zuerst die Arbeit, dann das Vergnügen“
„Ohne Fleiß kein Preis“
„Morgen, morgen, nur nicht heute, sagen alle faulen Leute."
Denke wir so oder so ähnlich, werden wir stets die Arbeit als etwas Erstrebenswertes ansehen, und uns fast wertlos vorkommen, wenn wir nichts tun.
6 schritte zum Urlaub im alltag.
Wie kann nun die Umsetzung solcher Erholungsmomente funktionieren?
1. Fix einplanen (Ziel visualisieren)
Am wichtigsten ist es, die Erholung im Alltag genauso bewusst einzuplanen, wie einen gebuchten Urlaub. Ich kann dies sozusagen als Termin, oder besser ausgedrückt – als Date mit mir selbst sehen. Machen Sie sich also tatsächlich einen Eintrag in ihrem Kalender und fixieren Sie dafür einen bestimmten Zeitraum, der von niemandem anderen (und auch nicht ihnen selbst) überbucht werden kann.
2. Einmalig vs. Regelmäßig
Genauso wichtig ist es, die Erholung regelmäßig einzuplanen. Ein einmaliges Erlebnis kann uns zwar kurzfristig Kraft geben, aber für den Ausgleich im Alltag ist es wichtig, solche Wohlfühlelemente als Ritual im Alltag einzuplanen, damit kann unser Gehirn diese besser unbewusst abspeichern. Zudem geben uns Rituale im Alltag Ordnung und Sicherheit, ein Zusatzbonus also, den wir hier dadurch generieren.
3. Eine passende Einstellung dazu kreieren
Haben wir die Erholung gut geplant, müssen wir unser Mindset dementsprechend anpassen – Gedanken wie z.B. „Erst wenn ich alles fertig habe, darf ich mir Erholung gönnen“ wäre ja kontraproduktiv. D.h. ich überlege mir, wie ich denken müsste, damit ich mein Ziel auf jeden Fall erreiche. Hier könnte die Einstellung „Regelmäßige Pausen geben mir Kraft und Energie“ eher helfen.
4. Mit den bisherigen Glaubenssätzen konfrontieren
Tja, und spätestens beim Formulieren der passenden Einstellung werden sich die bereits gelernten, eher hinderlichen Gedanken melden und auf ihr Recht pochen, nach wie vor wahr zu sein. Damit dürfen wir uns in diesem Schritt auseinandersetzen: ein liebevoller Umgang mit alten Überzeugungen kann helfen, diese loszuwerden und durch neue, förderliche Gedanken zu ersetzen.
5. Erfolge notieren
Haben wir das Projekt „Urlaub im Alltag“ einmal gestartet, ist es für unser Gehirn immens wichtig, die Erfolge – also das Erleben eben solcher Auszeiten auch als Erfolg zu feiern oder zumindest zu notieren. Dies lenkt den Fokus darauf, was uns gelungen ist und wir neigen automatisch dazu, diesen Fokus und damit auch die Momente der Auszeit zu fördern.
6. Plan fürs Scheitern überlegen
Und einen letzten Tipp habe ich noch: Bei all dem Positiven benötigen wir auch einen Plan dafür, wenn wir einmal scheitern sollten. Veränderung verläuft grundsätzlich in Wellen und nicht linear. Das bedeutet, dass wir beim Umsetzen eines neuen Projektes wie diesem nicht erwarten dürfen, dass es immer glatt läuft. Die Frage ist, wie gehen wir mit dem Scheitern um? Sehen wir ein einmaliges Verwerfen unseres Erholungsplanes als das Ende des Projektes? Dann wäre das erfolgreiche Gelingen tatsächlich gefährdet. Wichtiger ist es, sich zu überlegen, wie wir möglichst liebevoll mit unserem Fehltritt umgehen und mit einem kleinen Schritt wieder ins Tun und in die Umsetzung gehen können – eine fünfminütige Kaffeepause mit der Lieblingskollegin, die wir dann wieder als Erfolg notieren, kann z.B. so ein kleiner Schritt sein.
Ich wünsche Ihnen eine wunderbare Urlaubs - oder Alltagszeit!