Der Gehirnforscher Bernd Hufnagl bestätigt in einem Interview, dass wir gerade in Momenten, in denen wir Resilienz – also innere Widerstandskraft - am dringendsten benötigen, von unserem Umfeld abhängig sind: von Aufmerksamkeit, Achtsamkeit und Unterstützung.
Das lässt mich als Mentaltrainerin natürlich aufhören. Sind wir denn wirklich abhängig von anderen? Ist mein Umfeld dafür verantwortlich, mir Optimismus und Energie zu spenden? Oder brauchen wir jemanden, der in stürmischen Zeiten unser Leid mit uns teilt, wie es ein schönes Sprichwort rät? Fragen, die mich dazu bewogen haben, die Antworten dazu in einem Blog-Artikel zu verpacken.
Mentaltraining versus resilienz
Um diese Fragen für Sie gut beantworten zu können, erlaube ich mir nun, mich in zwei Teile zu spalten – zum einen in die Rolle der Mentaltrainerin, zum anderen in die Rolle der Resilienztrainerin. Warum denn das? Sie werden es gleich wissen.
Aus Mentaltraining Sicht bin ich der Überzeugung, dass ich mir meine Energie mit meinem Mindset selbst geben kann. Wir bedienen uns hierzu zahlreicher Methoden, wie z.B. der Methode der Visualisierung – also das Imaginieren zukünftig erreichter Ziele, oder dem Ankern - also dem „Einprägen“ von angenehmen Gefühlszuständen, um sich selbst in eine förderliche Stimmung zu bringen. Dies kann ich jederzeit – und vor allem unabhängig von meinem Umfeld – sozusagen im Alleingang trainieren.
Schlüpfe ich in den Mantel der Resilienztrainerin, so kann ich der Visualisierung von Zielen durchaus etwas abgewinnen, auch die gute Selbstfürsorge und -regulation sind ein Teil des Resilienztrainings – nur geht die Resilienz noch ein Stück weiter: Die Experten der Resilienz sind sich dahingehend einig, dass der Faktor Beziehungen und Netzwerke – also gute, tragfähige Beziehungen aufzubauen und aufrecht zu erhalten – einer der wichtigsten, wenn nicht DEN wichtigsten Resilienzfaktor darstellt.
was sagt die resilienzforschung dazu?
Zu diesem Schluss kommt übrigens auch die bekannte Kauai Längsschnitt Studie, von den Entwicklungspsychologinnen Emmy E. Werner-Jacobsen und Ruth S. Smith durchgeführt. In dieser Studie begleiteten sie über 40 Jahre lang schwerpunktmäßig 210 Kinder aus schwierigen sozialen Verhältnissen mit folgendem Resultat: Während zwei Drittel nicht aus ihrem sozialen Milieu ausbrechen konnten, schaffte ein Drittel den Weg in ein stabiles, erfolgreiches Leben.
Dieses Drittel zeichnete sich durch Flexibilität, ein gutes soziales Netzwerk, Ausgeglichenheit und Kommunikationsstärke aus und wies unter anderem einen gemeinsamen Hintergrund auf: Diese Kinder hatten von Beginn an mindestens eine enge Bezugsperson, mit der sie in Beziehung traten. Sie hatten eine Person, die an sie glaubte. Damit lässt sich die Frage, ob wir von unserem Umfeld abhängig sind, meiner Meinung nach ganz klar mit einem JA beantworten.
und was bedeutet das konkret für den alltag?
Nun ja, meiner Meinung nach, dass wir darauf achten sollten, mit welchem Umfeld wir uns umgeben. Hier könnte es hilfreich sein, mir ein paar Minuten Zeit zu geben, um einen Check meines Umfelds zu machen: Gibt es Menschen, die mir sehr nahe sind, mit denen ich über meine Sorgen aber auch über meine Träume sprechen kann? Wer in meinem Umfeld tut mir gut – also versorgt mich mit Energie? Bei welchen Menschen habe ich das Gefühl, dass sie mir schaden, indem sie möglicherweise mehr über sich selbst als über mich wissen wollen oder der Fokus öfter darauf gerichtet ist, was in dieser Welt schlecht ist?
So ein Umfeld-Check kann hilfreich sein, um darüber nachzudenken, ob ich etwas in meinem Umfeld verändern kann. Aber eines sollten wir aus meiner Sicht nicht tun: Dem Umfeld die Schuld daran geben, dass es uns gerade schlecht geht. Also z.B. dass mein Chef schuld ist, dass ich mies drauf bin, weil er heute früh etwas Negatives gesagt hat. Oder dass der Taxifahrer daran schuld ist, weil ich heute zu spät zu diesem wichtigen Termin gekommen bin. Es kann niemand im außen Schuld daran haben, wie es mir HEUTE geht – diese Verantwortung obliegt alleine mir selbst.
Von der abhängigkeit zur selbstwirksamkeit
Im Resilienztraining sprechen wir hier vom Faktor Selbstwirksamkeit. Selbstwirksamkeit bedeutet, dass ich selbst davon überzeugt bin, dass ich etwas daran ändern kann, wie es mir selbst geht. Dass ich Handeln kann. Warum erzähle ich Ihnen das jetzt? Ganz einfach: Um mich selbst zu stärken und resilienter zu machen, muss ich die Idee haben, dass ich mein Umfeld verändern KANN. Es kann niemand dafür verantwortlich gemacht werden, an mich zu glauben oder mir in schweren Zeiten beizustehen und einfach da zu sein. Aber wenn ich merke, dass es dafür keinen Menschen in meinem Umfeld gibt, dann lohnt es sich, in guten Zeiten neue Menschen in mein Leben einzuladen, die genau dieses Potenzial haben. Sie meinen das können Sie nicht oder….das geht nicht so einfach? Nun, dann dürfen Sie gespannt auf meinen nächsten Blog-Artikel sein: „Selbstwirksamkeit – wie wir lernen, uns etwas zuzutrauen“.