Menschen denken viel – und oft auch viel Negatives. Wir zerbrechen uns den Kopf, was nicht alles schiefgehen oder passieren könnte. Oder wir denken darüber nach, was wir alles nicht können oder schlecht machen. Und wenn wir dann so richtig in der Negativspirale drinnen sind, kommen oft Gedanken wie: „Ich kann das nicht! Ich schaffe das nicht!“ Und diesen Gedanken schenken wir dann sehr viel Glauben - sie werden zu Glaubenssätzen. Kommt Ihnen das bekannt vor? Dann sollten Sie jetzt weiterlesen. Wir neigen dazu, eher das Negative zu sehen. Das spiegelt sich in auch in unseren Gedanken wider: Pro Tag haben wir etwa 60.000 Gedanken, davon sind aber nur 3% positiv. Der Großteil, etwa 72%, sind unbedeutende Gedanken wie zum Beispiel „Was könnte ich essen?“ Und ganze 25% sind negativ und destruktiv. Überrascht Sie das jetzt?
Die alte Angst vorm Säbelzahntiger
Aus entwicklungswissenschaftlicher Sicht rührt dieser Fokus auf das Negative daher, dass es früher einfach wichtiger war, den Säbelzahntiger oder eine andere Gefahr rechtzeitig wahrzunehmen als den schönen Sonnenuntergang zu betrachten. Dieser Effekt, in der Psychologie „Negativity Bias“ genannt, war für unsere Vorfahren überlebensnotwendig, weil dadurch Bedrohungen leicht wahrgenommen wurden. Heute macht er uns einfach nur das Leben schwer. Nicht nur, dass wir viel öfter das sehen, was wir nicht können, was wir nicht schaffen – es bleibt uns auch länger im Gedächtnis. Wir konzentrieren uns darauf, welche Schwächen oder negativen Eigenschaften wir haben. Und übersehen dabei das Positive.
Glauben Sie nicht alles, was Sie denken!
Das Spannende ist: Wir glauben uns selbst all diese negativen Dinge, die wir uns so denken. Und meistens kommt es auch genauso, wie wir es uns gedacht haben – im Guten oder eben im Schlechten.
Die gute Nachricht: Wir können uns bewusst entscheiden, was wir denken. Im Mentaltraining gibt es viele unterschiedliche Möglichkeiten und Methoden, um unser Denken in eine andere, positivere Richtung zu lenken. Methoden, die wir selbst im Alltag mit ein paar Minuten Zeitaufwand pro Tag umsetzen können. Eine davon möchte ich Ihnen heute vorstellen: das Reframing.
Perspektivenwechsel gewünscht?
Unsere Gedanken liegen in unserer Verantwortung. Und was wir denken, wirkt sich auf uns aus: auf unsere Gefühle, unsere Stimmung, wie wir uns selbst wahrnehmen. Haben Sie schon einmal versucht, sich bewusst dafür zu entscheiden, etwas positiv zu sehen oder positive Gedanken zu haben?
Mit der einfachen und doch wirksamen Methode des Reframings können Sie genau das tun. „Reframing“ leitet sich vom englischen Wort „frame“ ab: der Rahmen. Wenn Sie also einen Gedanken reframen, geben Sie ihm einen neuen Rahmen. Durch dieses Umdeuten bekommen Sie eine neue Perspektive, eine andere Art der Wahrnehmung und oft eine überraschend positive Interpretation einer auf den ersten Blick negativen Eigenschaft. Damit bekommen Sie aber auch einen völlig neuen Blick auf sich selbst.
Reframing ist auf zwei Arten möglich: Sie können die Situation oder die Bedeutung ändern.
Falls Sie sich jetzt verständnislos am Kopf kratzen, hier kommt ein Beispiel: Susanne ist Perfektionistin. Das weiß sie, das ist ihre größte Schwäche und sie verurteilt sich dafür. Schließlich sitzt sie ewig an Dingen, die andere viel schneller erledigen. Es fällt ihr auch schwer, Arbeiten abzuschließen, weil es für sie nie gut genug ist. Anstatt sich dafür zu geißeln, dass sie „immer viel zu genau ist“, könnte sie sich auch folgendes denken:
1. In welcher Situation könnte es hilfreich sein, dass ich perfektionistisch bin? – Zum Beispiel dann, wenn es um Detailarbeit geht. Oder darum, in einer großen Menge an Informationen einen Fehler zu finden, der das ganze Projekt scheitern lassen könnte.
2. Was ist die positive Seite am Perfektionismus? – Susanne arbeitet sehr genau, sie liebt Details und sie möchte alles sehr gut abschließen. Zudem hat sie hohe Maßstäbe und ein gutes Ergebnis ist ihr eben wichtig.
Mit diesen positiven Gedanken und dem entsprechenden Training kann Susanne den Druck der vermeintlichen Schwäche reduzieren und sich sozusagen in der Mitte einpendeln: Ja, manchmal macht der Perfektionismus ihr das Leben schwer, aber er hat auch viele gute Seiten. Sie macht also nicht „alles falsch“, sondern vieles richtig. Und anstatt von sich selbst schlecht zu denken, weil sie perfektionistisch ist, kann sie sich sagen, dass sie richtig gute Arbeit leistet.
neuer rahmen, neue sichtweise
Können Sie mit dem Konzept des Reframings etwas anfangen? Dann versuchen Sie es doch einmal selbst! Nehmen Sie sich Zeit dafür, Ihre Gedanken in der nächsten Zeit genau zu beobachten. Was denken Sie? Wie oft denken Sie eher negativ? Wie denken Sie über sich selbst? Sehen Sie vor allem Ihre negativen Eigenschaften? Das, was Sie alles nicht können oder schlecht machen? Wie reden Sie über sich selbst? Laut oder auch leise?
Notieren Sie Ihre Beobachtungen und versuchen Sie einmal, Ihre vermeintlich ausschließlich negativen Eigenschaften und mangelnden Fähigkeiten aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Welche positiven Seiten gibt es? In welcher Situation könnte diese Eigenschaft – oder das Fehlen einer gewissen Eigenschaft – hilfreich sein?
Wenn es Ihnen schwer fällt, positive Interpretationen zu finden, bitten Sie doch Ihre Familie und Freunde zu einem gemeinsamen Brainstorming. Ein Blick von außen ist oft sehr hilfreich. Sie werden erstaunt sein, welche Ideen da zusammenkommen.
Bitte beachten Sie: Eine Änderung braucht immer Zeit, Geduld und Übung. Auch wenn Sie ihre Reframings schriftlich festhalten, heißt das nicht, dass sofort alles anders ist. Immerhin haben Sie lange mit den negativen Gedanken gelebt und eine Einstellung ändert sich nicht von heute auf morgen.
Anker werfen!
Bleiben Sie dran! Sie können sich auch Unterstützung in Form von sogenannten Ankern holen, indem Sie beispielsweise eine positive Interpretation auf einen Zettel schreiben und ihn so anbringen, dass Sie immer wieder einen Blick darauf werfen können. Je öfter Sie diesen Zettel sehen, desto präsenter wird Ihre neue Interpretation für Sie sein. Sie können sich auch ein Symbol überlegen, das für Sie diese neue Perspektive repräsentiert, einen Duft, ein Musikstück, oder was auch immer Sie an Ihre neue Einstellung erinnert. Es gibt viele Möglichkeiten, wie Sie Ihre neuen Perspektiven trainieren und verinnerlichen können.
Vielleicht denken Sie jetzt: „Das wird nicht funktionieren!“ Versuchen Sie diesen Gedanken zu reframen: „Ich kann es einfach mal versuchen und schauen, ob es funktioniert. Das ist die Chance, etwas Neues auszuprobieren!“
Viel Spaß beim Reframing-Training! Und vergessen Sie nicht: „Egal, ob du denkst, du kannst es oder du kannst es nicht, du hast recht.“ (Henry Ford)